Das Fach Deutsch



(Entnommen unserer Abizeitung EX, Seite 7)

 




Thema: Erzählen und Schreiben




(Lesen Darstellen Begreifen A5, S. 32)

 


Theodor Fontane: John Maynard


John Maynard!

"Wer ist Maynard?"

"John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

*

Die "Schwalbe" fliegt über den Eriesee,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund':
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund'."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich's dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? Wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja, Herr. Ich bin."
"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

*

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

(Lesen, Darstellen, Begreifen. A6, S. 247-249.)

 


Friedrich Schiller: Wilhelm Tell





Wilhelm-Tell-Denkmal in Altdorf von 1895
Quelle: Wikipedia, Stichwort "Wilhelm Tell"


Mit Wilhelm Tell machten wir während unserer Schulzeit zwei Bekanntschaften, eine kurze in der Klasse 6 in Form eines Diktats und eine längere in der Klasse 8 in Form von Interpretationen diverser Akte und Szenen. Beide Begegnungen verliefen dramatisch, ja traumatisch und deshalb wenig erfreulich. Sie sollten das grundsätzliche Verhältnis von einigen von uns zum schweizer Nationalhelden, zu Eidgenossen, Rütlischwüren, Freiherren, Armbrustschützen, hohlen Gassen und pfeildurchbohrten Äpfeln dauerhaft belasten. Auch die Grundeinstellung zum großen deutschen Dichter, Dramatiker und Philosophen Friedrich von Schiller litt darunter und wurde auf Jahre hinaus stark getrübt.





Aber jetzt erst einmal der Reihe nach:

In der 6. Klasse wurde das Diktat Nr. 11 mit dem Titel "Tell befreit sich" am 30.05.1974 geschrieben. Es bestand aus zwei Teilen.
Im ersten Teil wurde eine Textpassage diktiert, im zweiten Teil sollte die direkte Rede im letzten Absatz in indirekte Rede verwandelt werden.



Tell befreit sich

Nun wurde das Schiff bereit gemacht. In die Mitte setzte sich der Landvogt mit seinem Gefolge; hinten lag Tell. Seine Arme und Beine waren gefesselt, so daß er sich kaum bewegen konnte. Traurig dachte er: "Nun bin ich gefangen und werde nach Küßnacht in ein finsteres Gefängnis geführt und in einen tiefen Kerker geworfen. Bleibt mit überhaupt noch eine Hoffnung? Werde ich meine Frau und meine Kinder noch einmal sehen?" Das Schiff trieb hinaus. Aber als sie mitten auf dem See waren, da wurde aus dem Wind ein Sturm. Er jagte mächtige Wellen auf, und das Schiff wurde so wild hin und her geworfen, daß die Schiffsleute das Segel einziehen mußten und auch mit den Rudern nichts mehr ausrichten konnten.

Der Steuermann rief angstvoll: "Vor dem Felsen auf der anderen Seite müssen wir uns in acht nehmen! Dort sind schon viele Schiffe zerschmettert worden, und dorthin werden auch wir getrieben, ich kann den Kurs nicht mehr halten!" Da machte einer aus Geßlers Gefolge den Vorschlag: "Herr Landvogt, Tell schießt nicht nur meisterhaft auf der Armbrust, er ist auch ein ausgezeichneter Steuermann und kennt den See genau. Ihm müssen wir befehlen, das Steuer zu übernehmen. Nur so können wir gerettet werden." Als Tell das hörte, sagte er sich: "Man wird mich losbinden und ans Steuer setzen. Ich werde das Schiff retten und mich dann durch einen geschickten Sprung befreien."

Das Diktat und die Umwandlung von direkter in indirekte Rede ließ sich mit etwas Übung relativ gut bewältigen.
Dabei war dann auch völlig egal, dass es um einen Mann namens Wilhelm Tell ging.


In der 8. Klasse stand dann das schwierigere Thema Interpretation an, "schwierig" deshalb, weil wir damals nicht so recht wussten, worin der genaue Unterschied zwischen Inhaltsangabe und Interpretation bestand. Außerdem machten wir uns Gedanken darüber, ob man einen Text auch dann "richtig" interpretieren konnte, wenn man eine völlig andere Meinung als der Lehrer hatte und mit diesem nicht übereinstimmte. Beim Formulieren tat man sich deshalb immer schwer und fühlte sich wie ein blinder Wanderer im Hochmoor.


So sollte am 10.03.1976 die berühmte 3. Szene im IV. Akt interpretiert werden, die Geschichte mit der hohlen Gasse.




Die Aufgabe lautete:



Und hier kommt die Lösung (wörtlich, mit Fehlern übernommen).
An dieser Stelle soll aber durch eine neutrale Schrift die Identität der Verfasserin geschützt werden.

"Dieser Tellmonolog ist das Ergebnis der ersten 3 Akte. Zuerst wird nur geplant, Greultaten werden dargestellt, es gibt geheime Zusammenkünfte des Volkes und Tell muss fliehen. Jetzt findet sich endlich einer dazu bereit die Tat zu tuen, die schon lange erwartet wird. Der Vogt hat selbst Schuld an dieser Tat, den er hat den vorher so friedlichen Tell herausgefordert. Endlich wird die Auseinandersetzung zwischen Tell und Vogt entschieden. In diesem Monolog rechtfertigt Tell seine Tat. Er ist kein Mörder im ursprünglichen Sinn, sondern er tötet in Notwehr. Er will seine Familie, das ganze Volk von einem Tyrannen befreien, denn er wird dem Vogt nie vergessen, daß er ihn gezwungen hat auf seinen eigenen Sohn zu schießen. Diese Szene leitet den Schluß ein, denn dieses Drama beschreibt den Freiheitskampf des Volkes, der durch den Meisterschuß gegen den Vogt des Tells entschieden wird.

Um dies alles auszudrücken hat Schiller in diesem Monolog besondere Wortstellungen benutzt wie z.B.: Es lebt ein Gott, zu strafen und sie rächen. In diesem Satz erklärt Schiller, daß der Vogt nicht im Sinne Gottes handelt, sondern selbst einen Gott auf Erden spielt, der das Recht hat zu strafen und zu rächen. Auch seinem nächsten Herren, dem Kaiser von Österreich gehorcht der Vogt nicht, er denkt sich, daß der Kaiser weit weg ist und daß das Volk nichts zu sagen hätte, darum behandelt er das Volk auch wie Dreck, oder wie Spielzeug, mit dem er allerlei anstellen kann und daß er quält."

Dieser Lösungsansatz zeigt deutlich die grundlegenden Schwierigkeiten bei der Textinterpretation eines Schauspiels und Dramas aus dem Jahr 1804.

Der historische Hintergrund dieses Dramas, die auftretenden Personen, der Handlungsort, die Handlung selbst und vor allem die verwendete Sprache waren nicht dazu geeignet, bei Achtklässlern in der Pubertät großes Interesse an Literaturarbeit und Textinterpretation hervorzurufen. Hinzu kam noch, dass das Vorlesen vor der Klasse mit verteilten Rollen von äußerst begrenztem Unterhaltungswert war und keinerlei Begeisterungsstürme auszulösen vermochte. Die Ergebnisse der Klassenarbeiten zu diesem Thema sollen hier nicht weiter erörtert werden. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass Wilhelm Tell nicht zu den Glanzpunkten unserer Schullaufbahn im Fach Deutsch zählte.




Wir setzen ein Zeichen - Zeichensetzung



Dieses dünne orange-rote Heftchen hat so machen zur Verzweiflung getrieben!




Heinrich Böll: Die Waage der Baleks (Auszug)


In der Heimat meines Großvaters lebten die meisten Menschen von der Arbeit in den Flachsbrechen. Seit fünf Generationen atmeten sie den Staub ein, der den zerbrochenen Stengeln entsteigt, ließen sich langsam dahinmorden, geduldige und fröhliche Geschlechter, die Ziegenkäse aßen, Kartoffeln, manchmal ein Kaninchen schlachteten; abends spannen und strickten sie in ihren Stuben, sangen, tranken Pfefferminztee und waren glücklich. Tagsüber brachen sie den Flachs in altertümlichen Maschinen, schutzlos dem Staub preisgegeben und der Hitze, die den Trockenöfen entströmte. In ihren Stuben stand ein einziges, schrankartiges Bett, das den Eltern vorbehalten war, und die Kinder schliefen ringsum auf Bänken. Morgens waren ihre Stuben vom Geruch der Brennsuppen erfüllt; an den Sonntagen gab es Sterz, und die Gesichter der Kinder röteten sich vor Freude, wenn sich der schwarze Eichelkaffee an besonders festlichen Tagen hell färbte, immer heller von der Milch, welche die Mutter lächelnd in ihre Kaffeetöpfe goß.

Die Eltern gingen früh zur Arbeit, der Haushalt war den Kindern überlassen: sie fegten die Stube, räumten auf, wuschen das Geschirr und schälten Kartoffeln, kostbare, gelbliche Früchte, deren dünne Schale sie vorweisen mußten, um den Verdacht möglicher Verschwendung oder Leichtfertigkeit zu zerstreuen.

Kamen die Kinder aus der Schule, mußten sie in die Wälder gehen und - je nach der Jahreszeit - Pilze und Kräuter sammeln: Waldmeister und Thymian, Kümmel und Pfefferminz, auch Fingerhut, und im Sommer, wenn sie das Heu von ihren mageren Wiesen geerntet hatten, sammelten sie Heublumen. Die Baleks zahlten einen Pfennig fürs Kilo Heublumen, die in der Stadt in den Apotheken für zwanzig Pfennig das Kilo an nervöse Damen verkauft wurden. Kostbar waren die Pilze: sie brachten zwanzig Pfennig das Kilo und wurden in der Stadt in den Geschäften für eine Mark zwanzig gehandelt. Im Herbst krochen die Kinder weit in die grüne Dunkelheit der Wälder, wenn die Feuchtigkeit die Pilze aus dem Boden treibt, und fast jede Familie hatte ihre Plätze, an denen sie Pilze pflückten, Plätze, die von Geschlecht zu Geschlecht weitergeflüstert wurden.

Die Wälder und die Flachsbrechen gehörten nicht den Menschen, die dort arbeiteten, sondern den Baleks, die im Heimatdorf meines Großvaters ein Schloß besaßen. Dort gab es ein kleines Stübchen, gleich neben der Milchküche, in dem Pilze, Kräuter und Heublumen gewogen und bezahlt wurden. Auf dem Tisch stand die große Waage der Baleks, ein altertümliches, verschnörkeltes, mit Goldbronze bemaltes Ding, vor dem schon die Großeltern meines Großvaters gestanden hatten, die Körbchen mit Pilzen, die Papiersäcke mit Heublumen in ihren schmutzigen Kinderhänden, gespannt zusehend, wieviel Gewichte Frau Balek auf die Waage werfen mußte, bis der pendelnde Zeiger genau auf dem schwarzen Strich stand, dieser dünnen Linie der Gerechtigkeit, die jedes Jahr neu gezogen werden mußte. Dann nahm Frau Balek das große Buch mit dem braunen Lederrücken, trug das Gewicht ein und zahlte das Geld aus, Pfennige oder Groschen und sehr, sehr selten einmal eine Mark. Und als mein Großvater ein Kind war, stand dort ein großes Glas mit sauren Bonbons, von denen, die das Kilo eine Mark kosteten, und wenn Frau Balek, die damals über das Stübchen herrschte, gut gelaunt war, griff sie in dieses Glas und gab jedem der Kinder einen Bonbon, und die Gesichter der Kinder röteten sich vor Freude, so wie sie sich röteten, wenn die Mutter an besonderen Tagen Milch in ihre Kaffeetöpfe goß, Milch, die den Kaffee hell färbte, immer heller, bis er blond war wie die Zöpfe der Mädchen.

Eines der Gesetze, welche die Baleks dem Dorf gegeben hatten, hieß: Keiner darf eine Waage im Hause haben! Das Gesetz war schon so alt, daß keiner mehr darüber nachdachte, wann und warum es entstanden war, und es mußte geachtet werden, denn wer es brach, wurde aus den Flachsbrechen entlassen, dem wurden keine Pilze, kein Thymian, keine Heublumen mehr abgenommen, und die Macht der Baleks reichte so weit, daß auch in den Nachbardörfern niemand ihm Arbeit gab, niemand ihm die Kräuter des Waldes abkaufte. Aber seitdem die Großeltern meines Großvaters als kleine Kinder Pilze gesammelt, sie abgeliefert hatten, damit sie in den Küchen der reichen Prager Leute den Braten würzten oder in Pasteten verbacken werden konnten, seitdem hatte niemand daran gedacht, dieses Gesetz zu brechen: fürs Mehl gab es Hohlmaße, die Eier konnte man zählen, das Gesponnene wurde nach Ellen gemessen, und im übrigen machte die altertümliche, mit Goldbronze verzierte Waage der Baleks nicht den Eindruck, als könnte sie nicht stimmen, und fünf Geschlechter hatten dem auspendelnden schwarzen Zeiger anvertraut, was sie mit kindlichem Eifer im Walde gesammelt hatten. ...

(Lesen, Darstellen, Begreifen. A7, S. 2-7.)




Gottfried Keller: Kleider machen Leute








Theodor Storm: Der Schimmelreiter


 



Rhetorik Klasse 11 - Kurzreden zu selbst gewählten Themen


Im Zeitraum von Ende September bis Ende November 1979 wurden im Rahmen des Deutschunterrichts Kurzreden im umfang von 5 bis 10 Minuten zu selbst gewählten Themen gehalten. Dabei musste jeder Kursteilnehmer eine eigene Rede halten und außerdem die Rede eines Mitschülers oder einer Mitschülerin protokollieren. Die gewählten Themen waren folgende:
DATUM THEMA
27.09.1979 Mahatma Gandhi und ziviler Ungehorsam
04.10.1979 Schulordnung
15.10.1979 Contra Hausaufgaben
18.10.1979 Eine Rede über die Rede
08.11.1979 Früchteboykott als Antwort auf die Apartheid in Südafrika
12.11.1979 Contra Rauchen
12.11.1979 Meine Vorstellung von Entwicklungshilfe
15.11.1979 Natur- bzw. Umweltschutz am Beispiel der BAB 4 durch das Rothaargebirge
19.11.1979 Fußball ist Business und Business ist Business (Rinus Michels)
22.11.1979 Vorschule
26.11.1979 Manipulation durch Werbung
26.11.1979 Schwerpunktverschiebung in der Autoindustrie




Besuch bei den Hersfelder Festpielen






 


Literaturarbeit in der Oberstufe








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