Wir Ehemaligen - Erinnerungen



Verschiedene Artikel: Schumanns Maxe - ein Wildunger Original



"Wildunger Original Schumanns Maxe 80 Jahre alt"

Die Heimatzeitung WLZ vom 24. Februar 1988

Geburtstag feiert er heute im Krankenhaus, aber bald will er wieder mit seinem alten Traktor durch die Stadt brausen:

Wildunger Original Schumanns Maxe 80 Jahre alt

Von Werner Senzel

 
BAD WILDUNGEN. Heute wird Schumanns Maxe 80 Jahre alt. „Diesen Tag“, so sagt „Maxe“ bei meinem Besuch im Krankenhaus, „wollte ich eigentlich mit meinen Freunden, den Segelfliegern, in der Halle auf dem Flugplatz feiern, jetzt liege ich hier im Krankenhaus.“

So kennt ihn jeder in Bad Wildungen: Ein tiefer Zug aus der Zigarette gehört zu Schumanns Maxe dazu. (Foto: szl)
Im Bad Wildunger Stadtkrankenhaus wurde Max Schumann vor kurzem das linke Bein oberhalb des Knies amputiert. Bei meinem Besuch sitzt er im Rollstuhl vor seinem Bett in einem Einzelzimmer im „Kaiserhof“ und kratzt mit einer Scheibe Brot die Butter aus einem Alufolien-Päckchen. Seine sonnengebräunte lederne Haut ist einer fahlen Krankenhausblässe gewichen, aber aufgegeben hat Schumanns Maxe keineswegs. „Das linke Bein haben sie mir abgenommen, damit habe ich so manchen in den Hintern getreten. Das kann ich halt in Zukunft nur noch im Geiste.“ In den nächsten Tagen soll eine Prothese angepasst werden. „Wenn ich dann bloß wieder humpeln kann, dann versorg’ ich wieder meine vier Rindviecher“, sagt der 80-jährige Schumann und steckt sich eine Zigarette an. Nein, sagt er sofort, das Rauchen werde er auch jetzt nicht bleiben lassen.

Noch nie in seinem Leben sei er krank gewesen, sagt Max Schumann, der am 24. Februar 1908 in Bad Wildungen zur Welt kam. Seine Eltern, berichtet der Jubilar, seien keine Landwirte gewesen. Das Elternhaus stand dort, wo heute die Wäscherei Wahl steht, sein Vater war Bademeister im Schwimmbad und stammte aus Magdeburg. Voller Lob ist Schumann über seine Mutter, die aus einer armen Wildunger Familie stammte, „aber wirklich alles konnte, und eine ganz prima Frau war“.

Max Schumann ging in Bad Wildungen zur Volksschule und absolvierte dann eine Kochlehre. Nach 15-jähriger Berufsarbeit warf er den Kochlöffel weg und schlug sich als Handlanger, Tellerwäscher, Waldarbeiter und Nachtwächter durch: „Einmal“, so berichtet Schumann, „habe ich sogar zwei Posten gleichzeitig gehabt“, und stolz fügt er hinzu: „Keiner hat von den anderen gewusst oder etwas bemerkt. Durch mein Moped war ich schnell und mobil.“ Am meisten ärgert er sich noch heute, dass er damals 800 Mark Lohnsteuer bezahlen musste.
Und in den Holzwald ist Maxe schon immer gerne gegangen. „Der liebe Gott lässt doch die Bäume für uns alle wachsen.“ Schon als Kind ist er mit einem Kuhfuhrwerk in den Wald zum Holzmachen gefahren. Und nach dem Ersten Weltkrieg hat er einmal Dutzende von überlangen Lärchen mit nur einer Kuh aus dem Wald geholt. Dafür hat er von einer holländischen Schiffsbaugesellschaft den damals stolzen Preis von 200 Mark bekommen. „Weil das außer mir gar keiner geschafft hätte!“

Viel weiß Max Schumann auch aus seiner Kriegszeit zu erzählen, die ihn im Zweiten Weltkrieg dreimal in sowjetische Gefangenschaft gebracht hat, aus der er dreimal geflohen ist. „Ich habe in sieben Jahren beim Barras nicht einen Schritt Gleichschritt marschiert, das hat keiner mit mir fertiggebracht. Wenn die gesagt haben links, hon ich rechts gemacht.“ Und wenn der Ruf „Freiwillige vor“ ertönte, dann habe er Platz gemacht, damit die Freiwilligen an ihm vorbei nach vorne treten konnten. Und mehr als einmal hat sich Max Schumann selbst ins Lazarett eingeliefert. „Die haben gar nicht gemerkt, dass ich kein Rheuma hatte, sondern die Drückeritis.“ Max Schumann kommt, während er das alles erzählt immer mehr in Fahrt, singt mir schließlich sogar die Spottlieder vor, die er während des Dritten Reiches über die Nazis verfasst hat, singt sie in seinem blauen Schlafanzug vor seinem Bett im Rollstuhl.
Immer wieder spricht „Maxe“ dann auch von seinem Traktor, auf dem ihn ja die Badestädter noch bis vor kurzem täglich durch die Straßen fahren sahen. Früher ist er damit auch zu seiner Arbeitsstelle als Geschirrspüler ins Badehotel gefahren, hat seinen Traktor zwischen den großen Limousinen der Hotelgäste abgestellt. Und auf den Vorwurf, der alte Trecker störe zwischen all den Nobelkarossen, hat Max Schumann geantwortet, sein Traktor gehöre ihm, er sei bezahlt, und es sei fraglich, ob all die anderen Autos auch bezahlt seien. Auf seinen Traktor will Max Schumann auch bald wieder klettern. „Und wenn ich das linke Bein für die Kupplung auch nicht mehr brauchen kann, dann bau ich mir einen Handhebel dran, soviel Schlosser bin ich noch.“ Wenn Schumanns Maxe wieder auf seinem Traktor unterwegs ist, dann will er auch endlich ein Schild vor der Enseschule aufstellen, ein Schild mit ihrem richtigen Namen, denn diese Schule, so sagt er, muss „Galgenbergschule“ heißen. Die stehe auf dem Galgenberg und nicht auf der Ense. „Da kommen ‚Fremmede’ nach Bad Wildungen und bringen die alten Gemarkungsnamen einfach durcheinander, die wir als Kinder noch alle gelernt haben.“

Keinesfalls will Max Schumann ins Altersheim. Nachdem er dort jetzt auch ein paar Wochen zugebracht habe, sei er überzeugt, dass dies kein Ort für ihn sei, er wolle nicht „den ganzen Tag nur rum sitzen und auf das Essen warten“. Nein, Schumanns Maxe will möglichst bald zurück auf seinen Traktor und zu seinen Rindviechern, und seine Gewehre, die er seit Jahrzehnten versteckt hatte und die ihm die Polizei kürzlich beschlagnahmte, die will er dann auch wieder haben. „Wenn ich auch nicht schießen will.“ Zum Abschied sagt Schumann: „Seit November bin ich jetzt hier im Krankenhaus, ich merke mir die Datums gar nicht mehr, aber jetzt will ich bald hier raus.“

Maxe und sein Traktor: Jahrzehntelang prägten beide das Stadtbild, früher war der Beifahrerplatz noch von einem Schäferhund besetzt. Auch die Plastiktüte ist ein unverwechselbares Erkennungszeichen dieses Gespanns, das Autofahrer wegen seiner Höchstgeschwindigkeit immer nur als Verkehrshindernis ansahen. (Foto: ro)
Waldeckische Landeszeitung (WLZ) vom 24.02.1988




"Schumanns Deutz rollt wieder"

Bad Wildungen - An Kellerwald und Edersee
HNA vom 01. August 2012

Schumanns Deutz rollt wieder

Stolz eines Eigenbrötlers vor der Schrottpresse bewahrt

Neues Leben eingehaucht

Maxe streckte ein Pferd nieder


Von Uli Klein

 

Ludwig Schäfer (Foto) aus Mandern hat den Deutz mit Hilfe eines Bekannten aufwendig restauriert und somit ein Stück Erinnerung an Schumanns Maxe der Nachwelt erhalten. (Foto: Klein)
Viele Anekdoten und Geschichten ranken sich im südlichen Kreisgebiet um Schumanns Maxe, den unbeugsamen Eigenbrötler, der unter abenteuerlichen Bedingungen an der Ense in Bad Wildungen lebte.

In besonderer Erinnerung sind vielen Menschen seine Fahrten mit einem betagten Traktor geblieben.

Stolz eines Eigenbrötlers vor der Schrottpresse bewahrt


Botschaft auf dem Staukasten des Deutz: In mühevoller Handarbeit wurde der betagte Schlepper zu neuem Leben erweckt. (Foto: Klein)


Ein Stück Bad Wildunger Geschichte bewahrt: Ludwig Schäfer aus Mandern am Steuer des Deutz, Baujahr 1958. (Foto: Klein)
Neues Leben eingehaucht

Etwa drei Jahre dauerte die Restaurierung von Schumanns Maxes Traktor

von Uli Klein

MANDERN. Ludwig Schäfer aus Mandern (genannt Lu), ist im Besitz von Max Schumanns Traktor. Etwa drei Jahre brauchte der Pensionär für die aufwendige Restaurierung des luftgekühlten Deutz. Dabei konnte er jederzeit auf Rat und Tat seines Bekannten Kurt Becker zählen. „Sebastian Becker, der Sohn von Kurt, hatte meinen VW Iltis maßgeblich restauriert“, berichtete Ludwig Schäfer. Beim Bad Wildunger Blumenkorso wird der betagte Deutz wieder über die Straßen der Kurstadt rollen.

Bunter Motivwagen

„Ich fahre den Trecker, der einen bunt geschmückten Motivwagen der Bad Wildunger Waschfrauen ziehen wird“, sagte Schäfer. Bevor er den schrottreifen Deutz mit tatkräftiger Unterstützung wieder zum Rollen brachte, musste zunächst eine ebenfalls schrottreife Drehmaschine wieder in Gang gesetzt werden. „Ohne die Maschine wären wir völlig aufgeschmissen gewesen.“ Einige Ersatzteile konnte Ludwig Schäfer zwar noch beschaffen, der Großteil musste aber in Einzelanfertigungen nachgebaut werden. „Es war eigentlich alles kaputt. Viele Teile, wie das Lenkrad und der Schalthebel, waren gar nicht mehr da, auf den Kotflügeln reihte sich Beule an Beule. Man merkte dem Trecker überall an, dass er lange Zeit unter freiem Himmel in einer Hecke eingewachsen war.“

Komplett zerlegt

Besonders viel Arbeit machten der Ein-Zylinder-Motor und das Getriebe. „Beides mussten wir komplett zerlegen“, sagte Ludwig Schäfer. Heute sieht der Oldtimer (Baujahr 1958) wieder so aus, als wäre er erst vor wenigen Tagen vom Band gerollt.

Maxe streckte ein Pferd nieder

von Uli Klein

Max Schumann galt als Bad Wildunger Original. Er lebte in einer abenteuerlich zusammen gezimmerten Backsteinhütte mit Wellblechdach an der Ense, umgeben von weiteren Wellblech- und Holzhütten, Schrottautos, ausgedienten landwirtschaftlichen Geräten sowie einem alten Omnibus. Er teilte sich seine Unterkunft und das Gelände mit zeitweilig fünf Kühen, einer Katze und mit einem Hund, der nach seinen Angaben laut schnarchte. Schumanns Maxe – wie er im südlichen Kreisteil und in der Badestadt genannt wurde – kam ohne fließendes Wasser und Strom aus. Unvergessen sind zwei Reaktionen des kauzig auftretenden Mannes. Er verprügelte drei Polizisten und schlug obendrein auch ein Pferd k.o. „Ein Polizist hatte es gewagt mich von hinten zu schlagen, ohne mich von vorne anzusprechen“, sagte er. Bei der anschließenden Keilerei mit zwei Kollegen des Ordnungshüters fügte er auch ihnen kleinere Blessuren zu.

Drei Tage bewusstlos

Noch schlimmer erwischte es ein Pferd. „Es hatte mich gebissen. Dann habe ich dem Viech mit der Faust zwischen die Ohren gehauen – der Gaul war drei Tage lang bewusstlos“, berichtete Schumann vor vielen Jahren. Auf Beamte und Behörden war der gebürtige Bad Wildunger gar nicht gut zu sprechen. Während eines Interviews mit Journalist Holger Senzel sprach er von einer fürchterlichen Wut auf Staatsangestellte, die in ihm immer wieder hoch kochen würde. Am liebsten würde er sie alle verprügeln, gestand er. Maxe, der als Jugendlicher Boxen gelernt hatte, fand aber einen friedlicheren, wenngleich provokanten Weg im Umgang mit Behörden und deren Mitarbeitern. Wenn er Probleme mit einer Verwaltung hatte, schrieb er „geharnischte Anti-Christen“, wie er es nannte.

Verschiedene Sprachen

Er verfasste Briefe mit einer Zeile deutsch, einer russisch, einer französisch und einer in englischer Sprache. „Damit die auch mal sehen, wie das ist, von anderen Schwierigkeiten zu bekommen“, erklärte er. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Schumann nach bestandener Kochlehre mitunter als Waldarbeiter, Kraftfahrer, Handlanger am Bau und als Tellerwäscher im Badehotel. Den Weg von der Ense bis zu der Bad Wildunger Nobelherberge, und zu anderen Zielen, legte er grundsätzlich mit seinem Traktor zurück. Dabei tuckerte er, unter anderem bekleidet mit seiner unverwechselbaren schwarzen Baskenmütze, einer Zigarette in der Hand oder im Mundwinkel, und stets unrasiert im Schritttempo die Allee hoch und auch wieder runter. Wenn nötig, tat er dies auch mehrere Male am Tag in Begleitung seines Hundes. Einigen Bad Wildungern und Gästen waren der Deutz, sein Fahrer und der Vierbeiner ein Dorn im Auge. Doch Schumann ließ das kalt. Sein Traktor sei bezahlt und gehöre ihm. Ob die großen Autos wirklich alle bezahlt seien, sei fraglich, erklärte er.
 

Mit Zigarette und Trompete: Max Schumann
auf seinem Grundstück. Archivfoto: Senzel

Unbeugsam und Strafkompanie

Max Schumann galt Zeit seines Lebens als Unbeugsam. „Unterordnung steht nicht in meinem Lexikon“, sagte er. Wegen ständiger Aufsässigkeit wurde er während des Zweiten Weltkrieges in eine Strafkompanie versetzt. Dreimal geriet er in russische Gefangenschaft, dreimal gelang ihm die Flucht. Er lehnte den Krieg ab, „weil mir meine Gegner nichts getan haben“, wie er sagte. Max Schumann verstarb am 7. Januar 1989 im Alter von fast 81 Jahren.
HNA - Waldeckische Allgemeine vom 01.08.2012, Titelseite und S. 9




"Pferd und Polizei k.o. geschlagen"

Die Heimatzeitung
WLZ vom 08. September 2012

Pferd und Polizei k.o. geschlagen

Restaurierter Trecker von Schumanns Maxe erinnert an Wildunger Original

Von Conny Höhne
 

Beim Blumenkorso rollte der restaurierte Deutz des 1989 verstorbenen Wildunger Originals „Schumanns Maxe“.
Foto: Schuldt

Mit Baskenmütze und Trompete: So kannte man den Einsiedler, der in einer Backsteinhütte an der Ense „pferchte“.
Archivfoto: Senzel

Hintergrund

Im Krieg in der Strafkompanie

Max Schumann hatte eine Kochlehre, schlug sich aber später als Tellerwäscher, Waldarbeiter, Handlanger, Kraftfahrer und Nachtwächter durch. Er wurde zum Zweiten Weltkrieg eingezogen, den er ablehnte, „weil mir meine Gegner nichts getan haben“.

Seinen Kriegsdienst verbrachte er wegen ständiger Aufsässigkeit in einer Strafkompanie. Dreimal war er in sowjetischer Gefangenschaft, dreimal ist er geflohen.

Am 7. Januar 1989 starb Max Schumann im Alter von 81 Jahren.
(höh)
Pferd und Polizei k.o. geschlagen

Restaurierter Trecker von Schumanns Maxe erinnert an Wildunger Original

Die Baskenmütze war sein Markenzeichen, der Hund saß als Beifahrer auf dem Trecker. So tuckerte Schumanns Maxe einst durch die Badestadt. Beim Blumenkorso rollte er wieder – der grüne Deutz des unvergessenen Wildunger Originals.

Von Conny Höhne

BAD WILDUNGEN. Der Oldtimer aus dem Baujahr 1958, den der Manderner Ludwig Schäfer restaurierte und als Zugmaschine im Wildunger Blumenkorso präsentierte, weckte bei vielen Wildungern Erinnerungen an einen kauzigen Mann mit wettergegerbtem Gesicht und Bartstoppeln, der in einer abenteuerlichen Behausung an der Ense „pferchte“, wie er selbst zu sagen pflegte.

Wellblech und Holzhütten, ein ausgedienter Omnibus und mehrere Schrottautos, mittendrin noch ein paar Bäume, rostige Pflüge, Plastikeimer, Gummireifen, Eisenöfen, jede Menge Brennholz – seit 1946 hauste Max Schumann dort ohne Strom, ohne fließend Wasser, ohne Radio, Fernsehen, Zeitung. „Wozu auch?“, lautete sein Kommentar. „Es wird jeden Tag dunkel, und es wird jeden Tag helle.“ Ein Hund, eine Katze und fünf Kühe leisteten dem Einsiedler Gesellschaft. Besucher waren auf seinem Anwesen unerwünscht. „Betreten der Baustelle verboten“, warnte ein Schild. Verirrte sich dennoch jemand dorthin, dann wurde er von einem mürrischen Mann vertrieben, mit dem nicht gut Kirschen essen war.

Vor dem Krieg berichtete die Waldeckische Landeszeitung, die damals „Wildunger Zeitung“ hieß, dass Schumann einen Polizisten verprügelte, der es gewagt hatte „mich von hinten zu schlagen, ohne mich von vorne anzusprechen“, und lädierte bei der anschließenden Schlägerei mit Kollegen des Polizisten noch drei weitere Ordnungshüter.

Maxe hatte als Jugendlicher Boxen gelernt. Er probte seine Faustschläge nicht nur bei Vater und Onkel, die ihm eine Ohrfeige verpassen wollten, sondern schlug sogar einmal ein Pferd k.o., das ihn gebissen hatte. „Ich habe dem Viech mit der Faust zwischen die Ohren gehauen – der Gaul war drei Tage lang bewusstlos“, berichtete Max Schumann 1980 dem damaligen WLZ-Redakteur Holger Senzel.

Als kleiner Steppke wollte der kleine Maxe mit seinem Luftgewehr auf den Waldecker Fürsten schießen, weil seine Mutter eine Strafe wegen Holzdiebstahls zahlen sollte. Die Fürstenparade wurde glücklicherweise abgesagt.

„Wort Unterordnung steht nicht in meinem Lexikon“

„Das Wort Unterordnung steht nicht in meinem Lexikon“, lautete einer von Schumanns Leitsätzen. Markenzeichen des unbeugsamen Eremiten war sein Traktor. Mit ihm tuckerte er durch die Badestadt. Weil er damit früher auch zu seiner Arbeitsstelle als Geschirrspüler in einem Wildunger Hotel fuhr, handelte er sich oft Ärger ein. Der alte Trecker zwischen den Autos wirke störend, sagte man ihm. Schumann konterte, sein Trecker sei bezahlt, aber ob die großen Autos alle bezahlt seien, das sei fraglich.

Einmal hatte er einen Zusammenstoß mit einem Auto und lag mit gebrochenem Fuß im Krankenhaus. Weiß bezogenes Bett, geheiztes Zimmer, fließend warmes Wasser – auf diese Errungenschaften der Zivilisation pfiff der 78-Jährige. „Nee, nee, ich wär’ lieber draußen – und wenn’s noch so kalt ist...“

WLZ/FZ vom 08.09.2012, "Wildunger Zeitung", S. 21




"Ohne Heizung, Strom und fließend Wasser mitten zwischen Tieren"

Kindheitserinnerungen an Max Schumann
18. August 2012

Schumanns Maxe - ein Wildunger Original mit Rückgrat

Von GRav

 
BAD WILDUNGEN. Viele Wildungerinnen und Wildunger werden sich noch erinnern, an die Zeit damals. Ein kauziger, wettergegerbter alter Mann in graumelierter Jacke, mit Mütze, Zigarette und Plastiktüte fuhr auf einem alten, klapprigen und verbeulten, grau-blauen Trecker in Begleitung eines Hundes durch die Stadt. Dieses wahrlich sehr sonderbare Gespann wollte so gar nicht in die noble Badestadt passen und rief überall ein großes Stirnrunzeln hervor.

Auf die Frage, wer das denn sei, erhielt man stets die gleiche Antwort: Das ist Schumanns Maxe. Der wohnt irgendwo vor der Stadt!

Tja, wo ist denn bloß „irgendwo vor der Stadt“? In einem Haus oder wo?



In den obigen Artikeln von Werner Senzel, Uli Klein und Conny Höhne kommt nun dieser recht bedeutsame Sachverhalt aus Max Schumanns Leben überhaupt nicht zu Sprache.

Wo genau lebte Schumanns Maxe?

Sein Elternhaus stand damals in der Stresemannstraße 4, wo er mit seinen Eltern lebte. Heute ist auf dem Grundstück ein Parkplatz. Nach dem Krieg kehrte Max Schumann aus der Kriegsgefangenschaft zurück, konnte (wollte) sich aber als 38-Jähriger nicht mehr in ein "normales Leben" hineinfinden. Also lebte - manche würden sagen, "hauste" - er seit 1946 auf einer großen freien Wiese „vor der Stadt“ zusammen mit seinen zahlreichen Kühen, Hühnern, Hunden und Katzen in einem Sammelsurium von verschiedenen zusammengezimmerten Bretterbuden, Wellblechhütten und Verschlägen, die er im Laufe der Zeit inmitten kaputter landwirtschaftlicher Geräte, Schrottautos und sogar eines ganzen Omibusses errichtet und aufgestellt hatte.

Auf dieser Wiese schräg unterhalb der jetzigen Enseschule (aber nicht auf der Ense - das wäre die bewaldete Höhe Richtung Odershausen, wo heute der Fernmeldeturm steht) in der Nähe der Kreuzung der Odershäuser Straße und der Umgehungsstraße (B253/485) hauste Schumanns Maxe freiwillig ohne Heizung, Strom und fließend Wasser mitten zwischen seinen Tieren. Dort lag ihm die ganze Badestadt "zu Füßen" und genau von dort aus fuhr er dann mit seinem grau-blauen Trecker täglich in und durch die Stadt. Trotz heftiger Widerstände von Seiten der Verantwortlichen der Stadt, ließ er sich nicht von dort vertreiben.

Heute zeugen auf der Wiese nur noch ein paar seltsam angeordnete Büsche, ein paar Fichten und ein großer Laubbaum von dem Ort, an dem Max Schumann jahrzehntelang „unter freiem Himmel“ inmitten seiner Buden gelebt hat.

Warum er das tat, bleibt im Dunkeln.

Oder doch nicht?

Max Schumanns "Wohnort" nahe der Enseschule bei der Umgehungsstraße  (Foto: GRav 12.10.09)


Die Enseschule, die laut Maxe in der Gemarkung
"Galgenberg" steht. (Foto: GRav 12.10.09)
Zur Lösung dieses letzten Rätsels kann ich nun selbst etwas beitragen.

Da wir nicht weit entfernt von der heutigen Enseschule wohnten, die ja nach Maxes Meinung richtigerweise Galgenbergschule heißen müsste, besuchte ich als kleiner Junge zusammen mit meinem Großvater ab und zu Schumanns Maxe, um ihm für seine 14 Katzen und ihre Jungen etwas Futter, ein paar Essenreste oder Fleischabfälle zu bringen.

Mir war damals der alte, wettergegerbte, streng riechende Mann in seiner blau-grau-melierten schmutzigen Jacke mit seiner komischen Kappe und seinen schweren, schwarzen Gummistiefeln von Anfang an nicht ganz geheuer. Deshalb ging ich auch mit einem recht mulmigen Gefühl in der Magengrube und eigentlich auch nur widerwillig mit bei diesen Besuchen meines Großvaters bei Schumanns Maxe. Nur die Aussicht, die vielen kleinen niedlichen Katzenbabys zu füttern, ließ mich mein Unbehagen einigermaßen vergessen.

Bei einem dieser Besuche, ich muss so 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein, kam nun der Grund für Maxes eigenwilligen Lebensstil zur Sprache, der mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Max Schumann erzählte meinem Großvater damals ausführlich, dass er als junger Mann im Krieg in einem Gebäude verschüttet wurde und dass er sich aus dieser lebensbedrohlichen Lage ohne Essen und Trinken erst nach ein paar Tagen befreien konnte. Seitdem litt er an akuter „Platzangst“ und konnte „die Enge eines Hauses“ nicht lange aushalten und auch keine festen Mauern um sich herum ertragen.

Erst Jahrzehnte später konnte ich als Erwachsener annähernd ermessen, was für eine immens starke, unbeugsame Persönlichkeit dieser verschrobene und eigenwillige, aber doch irgendwie liebenswürdige „alte Kauz“ gewesen ist, den jeder in Bad Wildungen, ob groß oder klein, nur als Schumanns Maxe kannte.

Max Schumann starb am 7. Januar 1989 im Alter von 80 Jahren hier in seinem Geburtsort Bad Wildungen, sieben Wochen vor seinem 81. Geburtstag. Er war ein wirkliches Wildunger Original mit Rückgrat.

Allerdings ist heute auf keinem einzigen der zahlreichen Friedhöfe von Bad Wildungen sein Grab zu finden. Woran das liegt?

Ganz einfach. Ein Grab von Max Schumann hat es nie gegeben!
Er verfügte nämlich testamentarisch, dass nach seinem Tode sein Körper der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden solle. Er wollte offensichtlich nicht irgendwo in der Enge eines Grabes unter der Erde seine letzte Ruhe finden.

So wie Max Schumann sich in seinem ganzen Leben der Normalität entzog, so tat er das auch noch in seinem Tode.

Max Schumann   ─

ein Wildunger Original mit Rückgrat
* 24.02.1908 + 07.01.1989

Man kann fast noch erkennen, dass zwischen den Bäumen eine rechteckige Fläche lag. Dort standen die Hütten von Schumanns Maxe. (Foto: GRav 12.10.09)
GRav 18.08.2012




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