GSG - Die Schülerzeitung

Ein historischer Rückblick



Die Schülerzeitung am GSG hat eine lange Tradition und eine sehr bewegte, von Schwierigkeiten, Konflikten und auch Affären geprägte Geschichte, in deren Verlauf auch eine Umbenennung vorkam.

Am 1. Juli 1961 wurde am GSG die neue Schulzeitung "Scene" offiziell vorgestellt. Dabei handelte es sich um eine von der Schule selbst herausgegebene Schulzeitung, die damit der direkten Kontrolle durch Herrn Direktor Speckmann unterstand. Er formulierte das aber in seinem Geleitwort zur ersten Aufgabe sehr geschickt so, dass niemand es merkte: "Einmütigen Wunsch unserer Schülerschaft endlich erfüllend, erscheint die erste Ausgabe ihrer eigenen Zeitung, von Schülern gestaltet, für sie geschrieben, Ehemalige und Eltern mit ansprechend." An anderer Stelle fügte er hinzu: "In diesem Sinne soll sie [die Scene - Anmerkung GRav] auch Schauplatz und Bühne sein; Zuschauer zu Akteuren erziehend, Schauspieler zu kritikberechtigtem Publikum."


(Quelle: Festschrift zum 30jährigen Jubiläum des GSG im April 1989, Seite 126)

Diese Worte wollten nun aber ganz und gar nicht dazu passen, dass Direktor Speckmann fortan selbst die Themenwahl massiv beeinflusste und bei heiklen Themen Zensur ausübte, wenn er es für angebracht hielt. In den "unruhigen Jahren" 1968/69 wurden dann lebhafte Diskussionen um eine längst fällige Demokratisierung der Schule im Allgemeinen und auch im Speziellen, besonders am GSG, geführt und die vorhandenen autoritären Strukturen kritisiert. So sorgten verschiedene Stellungnahmen und Artikel zum Thema Bundeswehr, schon bevor sie überhaupt abgedruckt wurden, für Gesprächsstoff und hitzige Diskussionen am GSG.

Noch bis ins Jahr 1973 blieb die Scene eine Schulzeitung und wurde unter dem eigenartig anmutendem Titel "Die Scene – Schulzeitung des Gustav-Stresemann-Schule-Gymnasiums" veröffentlicht, wie das Impressum der Ausgabe 1/73 auf Seite 3 beweist.


(Scene 1/73)

In dieser Ausgabe der Scene wurde auch das neue Maskottchen "Sceni" vorgestellt.


(Scene 1/73)

Trotz recht origineller Ideen wuchsen die Probleme der Zeitungsmacher. Sowohl deren Anzahl als auch das Interesse und die Einsatzbereitschaft im Redaktionsteam nahmen immer mehr ab. Hinzu kam, dass nach dem Konkurs der bisherigen Druckerei eine andere gesucht werden musste. Das alte Zeitungsformat Din-A5 musste wieder verwendet werden, um die Kosten zu senken. Die Anzahl der bei der Redaktion eingehenden Schülerbeiträge und Artikel wie der folgende ging immer mehr zurück.


(Der Verfasser dieses Artikels wird manch einem sicher bekannt vorkommen!)

Die Berichte und Artikel in der Scene waren zwar eher harmlos, aber auch nicht ganz unkritisch. Man wollte sich einfach nicht instrumentalisieren zu lassen, wie der Artikel "In eigener Sache" auf S. 5, Scene 1/73, eindrucksvoll beweist.


(Scene 1/73)

Erinnert ihr euch noch an die Durchsage des Chefs am Mittwoch den 24.Oktober, als er einige Schüler des GSG in den Funkraum rief? Bestimmt nicht so gut wie ich, denn die folgende Stunde war für mich winzigen Anfänger-Redakteur sehr aufschlußreich. Ein „großer Bruder" von der WLZ wollte uns interviewen, so informierte uns der Chef. Ich war gespannt auf die Fragen, und es befremdete mich natürlich etwas, als er die Diskussion mit den Worten eröffnete: „Nun motzt doch mal!"
Über den Gegenstand unserer „Motzerei" konnte er uns nur sehr unzureichend Auskunft geben, da er, wie er selbst zugab, keine Ahnung von dem Plan, die Oberstufe des Gustav-Stresemann-Schule-Gymnasiums eventuell nach Fritzlar zu verlegen, hatte. Nur wenige von uns hatten den Artikel, der am Morgen in der Zeitung erschienen war, aufmerksam gelesen, und deshalb bemerkten wir zuerst, daß unsere Äußerungen nur auf Vermutungen beruhten und daß wir jederzeit bereit seien, unsere Meinung zu ändern, wenn wir genauere Informationen über dieses Projekt erhielten. Dann äußerten wir uns dazu, wobei einige viel, andere nichts zu sagen wußten. Das schien unserem Star-Reporter aber nicht zu passen, und er verdrehte unsere Aussagen derart daß kaum eine Äußerung in dem am nächsten Morgen erschienenen Artikel aus dem Mund des mit Namen genannten Schülers stammte. Ebenfalls störte es ihn, daß wir gar nicht motzten und nicht anständig empört waren. Auch das änderte er, indem er uns schöne, aggressiv klingende Worte zuschob, was wir aber um Gottes Willen keinem sagen sollten. Allmählich ärgerte uns seine Methode, und wir formulierten unsere Sätze immer vorsichtiger, betonten laufend, daß wir ja kaum Ahnung hätten. Wenn wir unsere Bedenken begründen wollten‚ schnitt er uns das Wort ab: „Konkretes interessiert nicht." und plötzlich, ein Schüler argumentierte gerade seine Meinung, brach er das Gespräch ab mit den Worten: „So, mir reicht's."
Ziemlich verwirrt und erstaunt verließen wir den Raum und ahnten, daß, falls der Artikel erscheinen sollte, sein Inhalt nicht viel mit dem unserer Meinungen gemeinsam haben würde. Nun ja, der Artikel erschien. Ein wirklich schöner Artikel, nicht wahr? Es war alles da, was zu einem Aufreißer gehört: eine harte Überschrift „Unruhe und Empörung unter der Schülerschaft", obwohl wir versichert hatten, daß kaum jemand eine Ahnung von der „wahrscheinlich" geplanten Verlegung der Oberstufe hatte. Außerdem kamen in dem Artikel die Schüler wieder mal zu ihrem Recht, ihren Ruf als motzende, unzufriedene und aggressive Jugend zu verteidigen. Wolfram Michel war niemals „echt sauer", ich habe mich niemals „empört" gezeigt oder den Plan als „schlicht doof" bezeichnet. Aber wenn wir soetwas nicht sagen, dann wird es uns eben angedichtet, denn meiner Meinung nach war es nicht unsere Ansicht über das Projekt, die den Pressemann interessierte; wir stellten lediglich das Mittel zum Zweck dar, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Sache zu lenken. Unsere „Empörung" sollte der Anstoß zu erregten Diskussionen der WLZ-Leser und vielleicht auch ein politisches Mittel sein.
Geschickt, was? Wir waren damit aber nicht einverstanden, formulierten eine Klarstellung der verdrehten Tatsachen und wollten den Text im „offenen Wort" veröffentlichen. Das „offene Wort" war aber komischerweise nicht zugänglich für unsere Sache, und so versuche ich hiermit, wenigstens die Schüler und Lehrer dieser Schule aufzuklären.
Gleichzeitig möchte ich bemerken, daß keiner der noch unerfahrenen Redakteure unserer neuen Redaktion die Absicht hat, sich das Image und die Genialität dieses Starreporters anzueignen.

Das wär’s
-ass- (Astrid Schmal)

Trotzdem ging es weiter bergab. Die Suche nach Inserenten, die durch geschaltete Anzeigen die Herstellungskosten auffangen konnten und die zur Finanzierung der Scene dringend nötig waren, gestaltete sich immer schwieriger. Dadurch wurden die finanziellen Probleme natürlich erheblich größer.


(Scene 1/73)

Schließlich waren diese nicht mehr zu lösen, so dass dann die Scene des Jahres 1976 erst einmal die letzte war, die herausgegeben wurde. Erst 1979, nach dreijähriger Pause, erschien die Scene als Schülerzeitung mit der Auflage Nr. 1/79 wieder neu.


(Scene 1/79)


(Scene 1/79, erste Ausgabe nach 3 Jahren Zwangspause)

Die neue Scene-Redaktion, die nach der dreijährigen Zwangspause an den Start ging, war als kritisch, engagiert und als sehr links einzustufen. Sie wollte in "ihrer" Schülerzeitung unbedingt dementsprechende, politische Themen und Inhalte behandelt wissen.


(Das Redaktionsteam der Scene 1/79)

Durch das gezielte Aufgreifen politischer Themen und die sich daraus ergebende extrem kritische Berichterstattung kam es immer wieder zu Konfrontationen mit dem Schulleiter Herrn Speckmann. Der wollte nach bisheriger Tradition alle Beiträge zensieren, die nicht seine eigene Meinung widerspiegelten, die für ihn unangenehm waren und deshalb von ihm als massive Provokation aufgefasst wurden. Kritische Beiträge zu Themen wie "Amnesty International", "Bundeswehr", "Wehrpflicht", "Kriegsdienstverweigerung" oder "Kernenergie" ließen die grundsätzlich völlig unterschiedlichen Ansichten und Überzeugungen von Redaktion und Schulleiter offen aufeinander prallen.


(Scene 1/79)

Das große Konfliktpotenzial, das sich zwischen Redaktion und Schulleiter aufbaute, zeigte sich schon kurz nach dem Erscheinen der 1. Ausgabe im Jahr 1979. Die Zuspitzung setzte sich dann immer weiter fort. Aber auch viele der Schülerinnen und Schüler waren mit der Themenauswahl der Scene-Redaktion nicht wirklich zufrieden. Dann kam die 2. Ausgabe.


(Scene 2/79)


(Scene 2/79)


(Scene 2/79)

Wer nun gedacht hatte, die bei der Redaktion eingegangenen Schülerkritiken (Zitat: "sie waren meist negativ", wie oben im ersten Absatz zu lesen ist) hätten zu einem Umdenken und zu einem ehrlichen Bemühen geführt, "die Interessen der jüngeren Schüler voll zu treffen" (Zitat), der sah sich leider getäuscht!


(Scene 2/79)

Das Inhaltsverzeichnis der Scene 2/79 offenbarte die Absicht der Redaktion, weiter auf Konfrontationskurs zu setzen: Das Bild zeigte es deutlich - es wird eine Kanone abgefeuert, jetzt knallt's. So war es nicht verwunderlich, dass Themen wie "Lehrermangel im Streberland", "Am GSG wird Tradition groß geschrieben", "Was hat John Travolta mit Kernenergie zu tun?", "Gorleben - oder mehr", "Raumnot am GSG", "So entsteht Jugendkriminalität", "Die Misere über die Bewusstseinsbildung über den Faschismus", "Pflichtlektüre! Es gibt auch Atomkraftwerke!" und "Des Sängers Fluch - Die Gruppe Dschingis Khan als mongolischer Hitler beim Grand Prix" die Schulleitung, genauer Direktor Speckmann, gehörig auf die Palme brachten und auch die Leser der Scene zunehmend verärgerten.


(Scene 2/79)

Es brodelte gewaltig unter der Oberfläche! Aber mit der folgenden Ausgabe 3/79 wurde der Konflikt für alle unübersehbar, denn die Scene erschien plötzlich unter einem neuen Namen, nämlich "Milchscene". MILCHSCENE!? - SKANDAL!!! Der Vorhang, der über den dampfenden Kessel gebreitet war und der diesen bisher noch nachsichtig verhüllte hatte, wurde sozusagen durch das Erscheinen der MILCHSCENE weggezogen.


(Milchscene 3/79)


(Milchscene 3/79)

Aber was hatte es überhaupt mit dieser eigenartigen Namensänderung von SCENE in MILCHSCENE auf sich? Das fragten sich nach dem Erscheinen dieser Ausgabe alle am GSG!

Nach der 2. Ausgabe war es zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Redaktion und Schulleiter Speckmann gekommen. Kritische Artikel wie „Raumnot am GSG" oder „Traditionen" auf der Redaktionsseite wurden auf von anderen Seite, der Direktorseite, mit einer Nichtzulassung zur Amateurfunk-Lizenz-Prüfung am GSG oder mit geforderten Gegendarstellungen „geahndet". Der Tropfen, der das Fass auf beiden Seiten schließlich zum Überlaufen brachte, war wohl die sogenannte "Atomkraft-Nein-Danke-Button-Affäre".

Dabei ging es um einen geplanten Artikel in einer der letzten Ausgaben der Scene, der sich mit einem Vorgang an einer bayrischen Schule beschäftigte. An dieser Schule hatte der bayrische Schulleiter einer Schülerin untersagt, ihren Atomkraft-Nein-Danke-Button während des Unterrichts zu tragen. Die Kritik der Scene-Redaktion an diesem Vorgehen sollte nun in dem Scene-Artikel zum Ausdruck kommen, was aber wiederum Direktor Speckmann nicht zulassen wollte. Das zerrüttete Verhältnis zwischen Scene-Redaktion und Direktor wurde aber anhand eines Offenen Briefes des Chefredakteurs Achim Reupke deutlich, der auf Seite 3 der Ausgabe 3/79 abgedruckt ist.


(Milchscene 3/79)

Direktor Speckmann hatte wohl die Redakteure als "Miniterroristen" bezeichnet und schließlich angedroht, ein weiteres Erscheinen der Scene unter demselben Namen verbieten zu lassen. Der Name "Scene" für die Schulzeitung war wohl durch die Schule an irgendeiner Stelle im Behördenapparat registriert und dadurch geschützt worden. So kam es dazu, dass die Schülerzeitung Scene, die den Namen behalten hatte, aus namensrechtlichen Gründen umbenannt werden musste. Die Scene-Redaktion  wollte sich aber nicht ganz geschlagen geben und so wählte man als neuen Namen "Milchscene". Warum und wie das Wort "Milch" als Namenszusatz zu Ehren kam, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Die Namensgebung geht aber wohl auf Andy (Andreas Piper) zurück, wie pw (Peter Weinreich) auf Seite 5 schreibt. So also wurde aus der SCENE die MILCHSCENE!

Angesichts dieser neuen Stufe der Eskalation gab man auf Redaktionsseite alle Zurückhaltung auf und wählte bewusst hochbrisante, politische und provozierende Themen für die Artikel dieser Ausgabe 3/79 aus:


(Milchscene 3/79)

TITEL DES ARTIKELS
QUELLE / AUTOR
KURZINFO
"Meine Schulkarriere ist mir wichtiger ..."
S. 4 (pw)
Kritik an der Schülerschaft wegen des unkritischen und angepassten Verhaltens und dem fehlenden politischen Engagement
Statt Karten
S. 6
Todesanzeige für das Deutsche Grundgesetz. Unterschrieben mit "Die Atomkraftgegner des GSG, besser bekannt als Miniterroristen"
Kleines Lexikon zur Kriminalisierung von Atomkraftgegnern
S. 8 (Felix)
Überspitzte Kritik und dem Aufruf "Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!"
Atomarer Niederschlag?
S. 10 (mr)
Sarkastische Werbeanzeige für den "Fallout-Shelter-Schirm" und die "Fallout-Shelter-Mütze"
Strahlenbelastung bei Atomkraftwerken
S. 14 (pw)
Sehr einseitige Darstellung der radioaktiven Freisetzung beim Betrieb von Atomkraftwerken
Cartoon "Am Tag, als kein Regen kam ..."
S.16 (Clodwig Poth)
Misslungener Regentanz mit abstürzenden Starfightern
Antwortschreiben des Hessischen Kultusministers
S. 20
Schriftliche Antwort bzgl. der Anfrage, ob das Tragen von Anti-Atomkraft-Plaketten in der Schule erlaubt sei
"Mein Bruder war ein Soldat"
S. 23
Gedicht von Bert Brecht
Kriegsdienstverweigerung
S. 24 (Gottfried Steiner)
Artikel über Rüstungsausgaben von NATO und Ostblock , Wehrdienst, Kriegsdienstverweigerung, Abrüstung
Rede eines Schulleiters an seine Abtreter
S. 30 (Kh. Frank)
Fiktive, herabwürdigende Rede, in der Schülerinnen und Schüler als "Abtreter" bezeichnet werden
SS-Treffen in Arolsen
S. 32 (pw)
Bericht von der Demonstration gegen das Treffen am 28.04.1979


(Milchscene 3/79)

An obiger Liste sieht man, was der Redaktion damals wichtig war, was für eine Grundhaltung sie hatte und wie sie die Aufgaben einer Schülerzeitung begriff. Und so verwundert es doch sehr, wenn auf Seite 13 derselben Ausgabe Folgendes zu lesen ist:


(Milchscene 3/79)

Wie war das wohl gemeint: "Ich persönlich begrüße es, wenn unterschiedliche oder gar gegensätzliche Stimmen zu Worte kommen."?


Dieser einseitigen und "sehr linke" Themenwahl, die starrköpfige Grundhaltung der Redaktion, die unübersehbaren Versuche der politischen Beeinflussung und auch die provozierende Art, wie die gültigen Rechtschreibregeln missachtet wurden, all das war wohl dafür verantwortlich, dass die Entfremdung der Schülerinnen und Schüler des GSG von "ihrer" Schülerzeitung einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Immer mehr von ihnen konnten sich nicht mehr mit "ihrer (Milch)scene" identifizieren und fanden sich darin nicht mehr wieder. So gaben einige Schülerinnen und Schüler dann noch im Jahr 1979 eine Alternativzeitung zur Scene heraus, den Knüller, der in einer Auflage von 350 Exemplaren erschien.


(Der Knüller, Ausgabe 1/79)


(Der Knüller, Ausgabe 1/79)

Die Beweggründe der Knüller-Redaktion für das Herausgeben der Alternativzeitung zur Scene werden noch einmal sehr deutlich, wenn man sich das Vorwort des Knüllers anschaut, aus dem ich im Folgenden wörtlich zitiere:

»Im Juli erschien die erste Ausgabe einer Schülerzeitung ("Milchscene"), mit deren kecken Äußerungen sich viele Schüler des Gustav-Stresemann-Gymnasiums nicht einverstanden erklären konnten.
Und so ist auch die gemeinsame Grundlage der mitarbeitenden Schüler dieser Zeitung die Ablehnung der "Milchscene", die sich als Schülerzeitung des GSG ausgibt. Dieser Schule gehören die mitarbeitenden Schüler ebenfalls an, sie sind aber nicht bereit, sich mit dieser sogenannten Schülerzeitung zu identifizieren oder, was noch ärgerlicher ist, sich mit ihr identifizieren zu lassen. Am Anfang dieser Alternativzeitung soll daher noch ein kurzer Rückblick auf die "Milchscene" stehen. Sicher, unter der Überschrift "Warum Schülerzeitung?" hatte ein besonders eifriger Redakteur schon sehr richtige Gedanken von "Grundlagen zur fairen Auseinandersetzung" niedergeschrieben, aber solch einseitig subjektive Basis kann ja wohl kaum eine Grundlage zur fairen Auseinandersetzung sein. Diese Zeitung versucht es trotzdem.
Da gibt es gewisse radioaktive Strahlen, die an der Kleidung hängen bleiben. Eine physikalische Verirrung, wie man weiß.
Interessant ist auch die Logik der Argumentation, mit der ein Redakteur für die Kriegsdienstverweigerung plädiert. Allein an den Zahlen merkt man deutlich, daß es sich wirklich um keinen (Militär)Experten handelt, und selbst wenn die Zahlen stimmten, kann man doch eine vermeintliche Überlegenheit der Nato nicht als Begründung der Verweigerung heranziehen. Das beweist persönliche Gegnerschaft zu unserem freiheitlichen System. (In der UdSSR wird der Autor dann übrigens dienen müssen, denn hier besteht ja keine militärische Überlegenheit?!) Man hätte vielleicht einmal auf ernsthafte Gründe eingehen sollen, z.B. auf religiöse Überzeugungen.
Mit der Darstellung des Grundgesetzes aber verliert die "Milchscene" jegliches Niveau. Mit dieser Geschmacklosigkeit beweisen die Verfasser, daß sie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit mißverstanden und eigentlich sogar verwirkt haben. Hierzu ein Auszug aus dem Grundgesetz, Grundrechte, Artikel 18:
"Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere der Pressefreiheit ... zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte."
...
Der Stil der Schreiber bleibt auch in der Auswahl fremder Texte erhalten. Muß man denn Artikel übernehmen, die fans anderer Pop-Richtungen als Nichtdenker abqualifizieren? Und wenn nun Leute wie Lindenberg ihr Geld sinnvoll anlegen, so beweisen sie damit nur, daß sie mehr Verstand haben als andere, die es versaufen oder verhaschen.
Zum Abschluß noch ein Blick auf die Orthographie der Herren Redakteure.
Trotz der Erleichterung durch die Wahl der Kleinschreibung, sind es immer noch peinlich viele Fehler. Für Schüler eines Gymnasiums sind 55 Rechtschreibfehler - von Maschinenfehlern wollen wir gar nicht reden - doch etwas happig.«


Das Inhaltsverzeichnis
des Knüllers:

(Der Knüller, Ausgabe 1/79)

Diese erste Ausgabe einer Alternativzeitung zur Scene war ein richtiger Knaller - ein "Knüller", im wahrsten Sinne des Wortes! Doch leider blieb diese erste Ausgabe gleichzeitig auch die letzte. Der Knüller wurde wieder eingestellt. Die Milchszene jedoch wurde weiter herausgegeben bis sie im Jahr 1987 dann endgültig eingestellt wurde. Die letzte erschienene Ausgabe der Milchszene war die Nummer 1/87.


Hier folgt nun eine chronologische Zusammenfassung der Schul-/Schülerzeitungen am GSG im Laufe der Jahre, soweit sie mir bekannt ist. Die Schulzeitung SCENE, die Schülerzeitung SCENE, die MILCHSCENE und der KNÜLLER wurden ja oben ausführlich behandelt. Aber es gab danach ja noch andere Schul- und Schülerzeitungen am GSG.


(Stadtzeitung 1987 bis 1988)


(Stadtzeitung Nr. 7, Mai 1988)



(Stadtzeitung Nr. 7, Mai 1988)


(Graffiti 1988 bis 1989, nach einer Pause 1990 bis 1991)


(Graffiti 1/88)


(Graffiti 1/88)


(Graffiti 2/88)


(Graffiti 2/88)

In dieser Ausgabe der Graffiti 2/88 wurde Bezug auf eine "Todesanzeige" für die Milchscene genommen, die in der Abiturzeitung des Abijahrgangs 1988 erschienen war und durch die sich das Redaktionsteam der Graffiti "auf den Schlips getreten" und zu Unrecht kritisiert fühlte. Siehe dazu das Vorwort oben. Im Folgenden ist der Stein des Anstoßes, die Todesanzeige zu sehen:


(Abizeitung S'EX 88 des Abijahrgangs 1988, Seite 29)

Wahrscheinlich war es nicht die Anzeige selbst, sondern das Postskriptum, was die Redaktion der Graffiti aufgebracht und zu einer deutlichen Klarstellung im Vorwort bewogen hat! Nach ein paar weiteren Ausgaben war aber erstmal wieder Schluss und die Graffiti legte eine schöpferische Pause ein. Im Juni 1988 jedoch war die Graffiti mit der Ausgabe 7/90 wieder da.


(Graffiti 7/90)


(Graffiti 7/90)


(Graffiti 7/90)

Zusammengefasst sieht die zeitliche Entwicklung der Schul- / Schülerzeitung am GSG dann so aus:

ZEITUNG
JAHR
Schulzeitung "Scene"
01.07.1961 bis 1973
Schülerzeitung "Scene"
1973 bis 1976
KEINE AUSGABEN
1976 bis 1979
Schülerzeitung "Scene", Ausgabe 1/79 - 2/79
Schülerzeitung "Milchscene", Ausgabe 3/79
Der Knüller, Ausgabe 1/79
1979
Schülerzeitung "Milchscene", letzte Ausgabe 1/87
1979 bis 1987
Schulzeitung "Stadtzeitung", erste Ausgabe 1/87 (Nov), letzte Ausgabe 7/88 (Mai)
1987 bis 1988
Schülerzeitung "Graffiti", erste Ausgabe 1/88 (Juni)
1988 bis 1989
KEINE AUSGABEN 1989 bis 1990
Schülerzeitung "Graffiti", erste neue Ausgabe 7/90 (Juni) 1990 bis 1991 ?
Schülerzeitung "GSGinside"
2003 ? bis ?

Leider sind mir die Jahreszahlen ab 1991 bis heute nicht genau bekannt. Wer darüber etwas sagen kann, der meldet sich bitte bei mir!


ZUGABE: Bei der Durchsicht der diversen Schülerzeitungen des GSG bin ich über einen sehr unterhaltsamen Artikel in der Graffiti Nr. 3 (Oktober 1988) gestolpert, den ich dem geneigten Leser auf keinen Fall vorenthalten möchte. Es handelt sich dabei um einen Artikel zum Verlauf einer typischen Physikleistungskurs-Doppelstunde bei einem Fachlehrer des GSG, den die Autoren als "witzigsten und sympathischsten Studienrat auf dem ganzen Globus" bezeichnen. Trotz der sich daraus abzuleitenden positiven Grundhaltung der Autoren will ich aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte die im Original-Artikel ausgeschriebenen Namen durch „Zufallsvariable“ ersetzt.

Viel Spaß beim Lesen!
GRav


VERLAUF EINER TYPISCHEN PHYSIKLEISTUNGSKURSDOPPELSTUNDE BEIM WITZIGSTEN UND SYMPATHISCHSTEN STUDIENRAT AUF DEM GANZEN GLOBUS:


KHW

Zu Beginn dieser Physikstunde zeigt uns Studienpenetrant W., heute wieder volldurchgestylt mit frischgelegter Dauerwelle‚ Boss-Höschen und Benetton-Jäckchen‚ sein vielgerühmtes erzieherisches Geschick. Es geht ja auch nicht an, dass sich einzelne Schüler immer wieder verspäten! Also wird ganz einfach pünktlich mit dem 2. Klingeln die kleine Horde Lernwilliger in das Reich der Physik eingelassen und danach abgesperrt!!!!!!!

Und während draußen dann die zu spät gekommenen Schüler vor Verzweiflung schwitzend, zähneknirschend um ihre Physiknote bangend – manche sogar mit dem Strick in der Hand – an der Pforte zum Physikheiligtum rütteln, erzählt unser Fachmann wieder einige Anekdoten aus seinem Leben, fein gewürzt mit einigen Witzen aus seiner Kinderzeit. Um diesen Genuss kommen die Sünder draußen, deren Stimmung deswegen immer tiefer sinkt. Doch dann zeigt sich die ganze moralische Größe unseres Menschenfreundes; er lässt die schwarzen Schafe mit den Worten ein: „Es musste sein, hä, hä, seht selber wie ihr das Versäumte nachholt!“

Nachdem er die Schüler so geschockt hat, beginnt das Ausfüllen der Formalitäten. Obwohl die Schüler x und y schon seit mehreren Monaten nicht mehr zum Unterricht erschienen sind, werden wir wohl zum 50. Mal gefragt: „Die Schüler x und y muss ich wohl als fehlend eintragen. Oh, was für eine Zeitverschwendung. Aber wenn ich das nicht mache und dann das Kursheft kontrolliert wird, bekomme ich große Probleme. Darüber werde ich mich gleich beim Direktor beschweren.“

In der folgenden Viertelstunde wird dann wie üblich das Hauptthema dieses Kurses behandelt. Wir, d.h. die Schüler, die sich nicht dem Schlaf oder irgendeiner anderen Tätigkeit hingegeben haben, erfahren, dass unsere geliebte Schule nur aufgrund der Beschwerden und Aktionen unseres sympathischen Physik-Profis überleben kann. Nach dieser Litanei gestaltet sich der Unterricht wie folgt:
  1. Exekution eines Schülers‚ der vergessen hat, ein Arbeitsblatt einzukleben.

  2. Der Kurs erhält eine Rüge‚ weil er nicht vollständig an der von ihm mit Herzblut organisierten Hannover-Messe-Fahrt teilgenommen hat.

  3. Freundliches und witziges Gespräch über das letzte Wochenende zwischen IHM und einigen begeisterten Schülern.

  4. Hämischer Bericht über die Beschränktheit eines Referendars.

  5. Diskussion über das Babyturnen seines Sohnes mit der treffenden Bemerkung: „Ich halte es für wichtiger, euch auf das Leben vorzubereiten, als euch nur Physikinhalte näherzubringen.“

  6. Vernichtende Kritik für den Restaurantbetrieb im neuen Kurhaus: Kaum zu glauben, man hatte es tatsächlich gewagt, gerade IHM, dem Experten auf allen Bereichen, kein Toastbrot zum Hummercocktail zu servieren.

  7. Vorführung des Autotelefons seiner Frau JFW mit der bescheidenen Bemerkung: „Was Ihr hier seht‚ ist wohl das neueste und teuerste seiner Art, nur 10000 DM.“
Und dann wird tatsächlich – man kann es kaum glauben – die letzte Viertelstunde dieser 90 Minuten Quälerei für Physik verwendet! Nachdem ER mit rasanter Geschwindigkeit die von ihm mit Schwamm und einer Art Scheibenwischer peinlich gesäuberte Tafel mit Unmengen von unverständlichen Integralen überhäuft hat, dürfen seine Schäflein das Meisterwerk in den letzten 5 Minuten übernehmen!

Den gelungenen Schluss einer jeden Stunde bildet der Auftrag, dutzende von Aufgaben zu rechnen und ganze Lehrbücher zu studieren – manche dieser Aufgaben werden sogar im Unterricht besprochen – jedoch nur um jedem Schüler seine Unfähigkeit zu zeigen.

Doch eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm: manchmal wird NUR eine 45-Min-Stunde für Formalitäten und Vorbereitungen auf das in physikalischer Hinsicht wohl erfolglose Leben genutzt. In der 2. Stunde wird dann versucht‚ dem Schüler anhand von interessanten, aber leider nicht funktionierenden Versuchen, ein Stück Physik näherzubringen.

Über die Arbeiten in K.W.‘s Superunterricht gibt es auch nur Gutes zu berichten: bei diesem steigt zwar die Schwierigkeit‚ wogegen im Laufe das Jahres jedoch die Unverständlichkeit im Vergleich zu den Übungsaufgaben abnimmt. Damit lässt sich vielleicht der Super-Schnitt von ca. 6,0 erklären. Es soll auch vorgekommen sein, dass einem Schüler für nicht unterstrichene oder gar fehlende Antwortsätze sage und schreibe NUR 3 Punkte abgezogen wurden.

Wen wird es da verwundern, dass bei solch einem erstklassigen Unterricht die Grundkurse ihre Chance genutzt haben, den Leistungskurs an Wissen bei Weitem zu übertreffen!!!!!

DIESER ARTIKEL WURDE AUS AUSSAGEN VON PHYSIKLEISTUNGSKURSLEUTEN/JAHRGANG 13 ZUSAMMENGESTELLT – NAMENSNENNUNG IST AUS SICHERLICH VERSTÄNDLICHEN GRÜNDEN NICHT MÖGLICH!!! *

(NAMEN SIND ABER DER REDAKTION BEKANNT)
* „Oh Gott, wenn Herr W. das erfährt, ist mein Abi ganz und gar versaut …“   


Quellenangabe: Schülerzeitung Graffiti Nr. 3, Oktober 1988, S. 18-21.


... und wie sah denn die Schülerzeitung des GSG im neuen Jahrtausend aus? Welche Themen wurden behandelt? War eine positive Entwicklung zu verzeichnen?

Nehmen wir doch mal die Ausgabe Nr. 3 (erschienen im Dezember 2003) genauer unter die Lupe:



  • Die Schülerzeitung heißt "GSG inside".
  • Das Format ist immer noch Din-A5
  • Der Einband ist zitronengelb mit blassgrauem Logo und unscharfem Titelfoto.
  • Im Innenteil folgen 36 Seiten mit schwarzer Schrift auf weißem Grund und einigen unscharfen Schwarz-Weiß-Fotos.
  • Im ganzen Heftchen sind nur zwei Anzeigen zu finden.
  • Der Preis beträgt 0,70 €.
  • Nun zum Inhalt:
  • Berichte von den Projekttagen 2003
  • Vergleich und Umfrage zu Mc Donalds / Burger King
  • Buchvorstellung
  • Erlebnisbericht vom ersten Schultag am GSG
  • Aufsatz zum Thema Halloween
  • CD-Kritik
  • Band-Interview
  • Konzertkritik
  • Bericht vom Besuch des Mathematikmuseums in Gießen

Fazit: Das Erscheinungsbild ist im Vergleich zur Milchscene von damals das gleiche geblieben. Der Inhalt stellt sich von der Vielfalt und der Anzahl der Beiträge kaum verbessert dar. Die Zahl der Inserenten (Sponsoren) ist gleich geblieben. Der Preis ist von damals 0,60 DM auf 0,70 € gestiegen, was etwa dem 2,3-fachen entspricht. Tja, nur der Preis weist demnach eine rasante Entwicklung auf - schade!

... doch halt!  Eine sehr erfreuliche Neuerung bleibt dennoch nachzutragen!

Die Schülerzeitung "GSG inside" war kurzfristig mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten. Auf dieser Homepage waren, neben vielem anderen, auch die Artikel der Druckausgaben abrufbar. Sehr lobenswert! Schade, dass diese Online-Schülerzeitung wieder eingestellt wurde.


 GRav